Die Liebe befreit aus jeglichem Bildnis1


Über mein Fotografieren


Die Technik

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Spiegelreflexkamera (Digital, 4Mio. Pixel), Computer, Softwareprogramme, Tintenstrahldrucker

Bildträger

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Diverse Fotopapiere, auch andere Papiere, Transparentfolie


1)

Es ist zu sagen, daß ich o.g. Geräte allein zu dem Zweck angeschafft habe, um die Ergebnisse meiner Malerei zu fotografieren … zu archivieren. Der Nutzen solle darin bestehen, nicht immer gleich in meinem Bilder=Lager herumkramen zu müssen, nur weil ein vages Interesse an einem Bilder=Kauf besteht. So wollte ich es dem potentiellen Bild=Käufer ermöglichen, im Augenschein einer Bild=Datenbank sein Interesse zu konkretisieren.


2)

Im Verlaufe dieser Bemühung begann ich auch andere Dinge zu fotografieren … - wobei ich heute sagen kann, daß mein Fotografieren wohl mehr mit meinem Schatten zu tun hat … denn mit meinem Leib; wobei natürlich mein Schatten mit meinem Leib2 zu tun hat … und umgekehrt. In der Malerei bin ich allein auf die Dunkel=Kammern des Leibes angewiesen. Mit der Fotografie kommen nun weitere Dunkel=Kammern hinzu (Kamera, Computer, Drucker) … ein Interaktionsgeschehen zwischen dem Leib (der ich bin) und den > Fremd=Körpern < der Technik … -


3)

Der Mensch ist sozusagen eine Art Prothesengott3 geworden, recht großartig, wenn er all seine Hilfsorgane anlegt, aber sie sind nicht mit ihm verwachsen und machen ihm gelegentlich noch viel zu schaffen.“ Sigmund Freud (1856-1939)> Das Unbehagen in der Kultur (1929 /1930)< - Hierzu möchte ich bemerken, daß diese Prothesen auch ihren Schatten werfen … und diese Schatten sind durchaus in der Lage mit dem menschlichen Schatten zu verwachsen. Und so ist es vielleicht ja auch verständlich, daß die Schat-ten=Seiten einer Technik gerne mit menschlichem Unvermögen – ja, mit menschlichem Versagen gleichgesetzt werden. Auch ist für manches Produkt schon mit dem Slogan geworben worden, daß man dieses Produkt lebe … wo es doch vernünftigerweise heißen sollte, daß man dieses Produkt habe. Die Technik= Gläubigkeit des Menschen zeigt auch in der Sprache ihre Schatten=Wirkung. Adelbert von Chamisso (1781-1838) schrieb die Novelle ... > Peter Schlemihl's wundersame Geschichte <. Darin verkauft Peter Schlemihl um eines nimmermüden Reichtums willen seinen Schatten an einen sonderbaren Mann im grauen Rock. - Daß es sich bei diesem Herrn um den Teufel handelt, wird er erst später erfahren. Beim Geschäftemachen mit dem Teufel geht es, wie es uns auch die Märchen sagen, um alles oder nichts … Seele oder keine Seele. Und so ist auch Peter Schlemihl recht bald mit der Tücke seines Schatten=Handels konfrontiert. - Er behält zwar seine Seele, sein Schatten bleibt aber dennoch an den Teufel verloren. Aufgrund seiner Schattenlosigkeit wird er von der Gesellschaft geächtet. Er kauft auf einer Kirmes4 ein paar alte Schuhe, die sich auf wundersame Weise als Siebenmeilen=Stiefel entpuppen. Mit ihnen zieht er kreuz und quer durch die Welt und widmet sich zum Nutzen der gesamten Menschheit ganz der Erforschung der Natur. - Kurz gefasst, ließe sich sagen, da hat sich einer aus der Welt des Märchens befreit, um ein Leben als Natur=Forscher zu führen. Er hat zwar die Beziehung zu seinem erd- und leibgebundenen Schatten … seiner Irrationalität … sinnigerweise an den Teufel verloren … diesen Verlust aber ( ein Wunder ? ) durch Siebenmeilen=Stiefel mehr als nur ersetzt bekommen. Der Natur= Wissenschaftler hat den Teufel besiegt. Und es wird wohl nicht lange dauern, da wird die Zauberkraft der Siebenmeilen=Stiefel eine naturwissenschaftliche Erklärung bekommen. -

Nun kommt Charles Baudelaire (1821-1867) und sagt: > Die schönste List des Teufels ist es, uns zu überzeugen, daß es ihn nicht gibt ( aus > Der freigiebige Spieler <).- Baude- laires aphoristische Bemerkung zeigt nicht ohne Ironie den Menschen auf dem Gipfel sei- ner Modernität.

Peter Schlemihls Siebenmeilen=Stiefel gibt es heut im Sport=Shop zu kaufen … eine Art bocksbeinige Stelzen mit Sprung=Federn. Und so ist mit Freuds > Prothesengott < ( Ich fände das Wort > Prothesenteufel < nicht minder reizvoll … ) wohl eindrücklich in Form gebracht, daß die verlorene Beziehung zu unserem Schatten … unserer Irrationalität … nicht minder auch unseren Leib betrifft. Seit der Mensch seinen Leib in den Dienst eines nimmermüden Reichtums gestellt hat … der Mensch von seinem Leib nur noch als von seinem Körper spricht … ließe sich fragen, wann denn dieser Körper sich seinem ihm anhängenden Schatten fast wesensgleich anverwandelt haben wird … nur noch von sei- nen Prothesen aufrecht gehalten. Noch hebt uns ein Jedermanns= Vergnügen über sol- cherlei Fragestellungen hinweg. Dennoch wollte ich den Versuch wagen, aufzuzeigen, welche Gedanken sich einnisten, wenn ich vom Schatten rede … wohl wissend, daß weder ein Prothesengott noch sein Schatten sich von solcher Mühe beeindrucken lassen. --



4)

Genauso zum Leib der Schatten gehört, so ist auch mein Fotografieren nicht unabhängig von meiner Malerei zu sehen. Und so will ich dieses Verhältnis kurz beleuchten. - Beiden gemeinsam ist das Verlangen nach einem Bild. Alles Bildhafte ist Bild von einem Bild … von einem Bild … von einem Bild … usf. … und schließlich von Etwas, das kein Bild ist. Und vielleicht ist dieses Etwas, das nach einem Ausdruck … nach einem Bild (von sich) verlangt … in einer Art Dunkel=Kammer zu finden. - Und so habe ich in der Malerei ein Bild ans Licht gebracht … vielleicht gerade so wie ein Bergmann etwas (…) zu Tage fördert; oder ein Landmann beim Ackerpflügen; d.h. ich muß mich von Beginn an und über längere Zeit bemühen … meinen Leib bemühen … daß ein Bild in die Welt kommt. Dieses Bild ist mir zuallererst ein Leib … der seinen größten Schatz in dem Wörtchen > vielleicht < offenbart. Aber immer ist da auch ein Widerstand in meinem Leib … eine Opposition … die sich einer Bild=Findung widersetzt. Vielleicht läßt sich sagen, daß sich diese Opposition von alters her darin begründet: > Du sollst dir kein Bildnis machen <. - Und dennoch entsteht ein Bild. Daß dies geschieht … ist wesentlich davon abhängig … ob während des Malens Vertrauen wächst. Das ist die vielleicht größte Herausforderung in meiner Malerei … ins Vertrauen finden … Fast möchte ich hinzufügen, wenn die Liebe > vielleicht < sagt, schenkt sie ein Bild. -

Da bin ich nun … mit Leib und Seele … ein Maler geworden … und weit davon entfernt, zu behaupten, ebenso ein Fotograf zu sein. Ich bin ein Maler, der hin und wieder fotografiert … wie es auch Fotografen geben mag, die hin und wieder malen. Und so schaue ich auf mein Fotografieren mit den Augen eines Malers. Blicke ich nun durch den Sucher der Kamera ist das so, als spähte ich durch ein Schlüssel=Loch … oder aber, als wäre ich ein Wahrsager, der in seine Kristall=Kugel schaut. In beiden Fällen bin ich auf je andere Weise (Tür, Kristall=Kugel) von dem zu Fotografierenden getrennt. Die Vertrauensfrage in der Fotografie scheint mittels eines Knopfdruckes geklärt … In soweit wäre die Fotografie eine konsequente Weiterentwicklung des Abmalens. Dennoch ist da ein Unterschied zu benennen … die Zeit und das Talent, das z.B. ein Bäume Abmalen erfordert. Wenn es also nur um ein Wiedererkennen geht, verlangt die Fotografie aufgrund der zur Verfügung stehenden Apparaturen heutzutage weder Zeit noch Talent. - Die Menschen hat schon immer der Gedanke fasziniert, daß sie die Welt so sähen, wie sie ist. Und da das Mißtrauen unter den Menschen zumeist größer ist als das Vertrauen, ist ihnen die Fotografie zu einem unerlässlichen Beweisstück in Sachen Realität geworden. Und so ist es gewiß auch leicht einzusehen, daß nicht die Malerei sondern die Fotografie zu einem Jedermanns=Vergnügen wurde. - Die digitale Fotografie hat nun dieses Vergnügen bis ins Unermessliche gesteigert … vom Bild … hin zum Bilder=Strom …. hin zum Bilder=Meer … und schließlich die Bilder=Flut im Nirvana des cyber space. .- Daß mein verborgenes Sein sich von einem freudigen „DA !“ entdecken ließe … ins Dasein käme … eine Hoffnung ? … - eine Nabel= Schnur (LAN / WLAN) hin zum Nirvana des cyber space ? - Mit dem Jedermanns=Vergnügen in der Fotografie ist fürwahr eine Hydra erwacht … und kein Herkules in Sicht.



5)

Aus Respekt vor Fotografen, die hierzu berufen sind, sei nochmals festgehalten … ich bin kein Fotograf … ich fotografiere, weil die Technik mir das Fotografieren leicht macht. Das geht so nebenher, wie mein Schatten neben mir hergeht. Mein eigentliches Interesse gilt nicht der Arbeit mit der Kamera, sondern der Arbeit mit dem Kamera=Bild am Computer. Daß ein Bild sich als ein realitätsgetreues Abbild erweist … ist mein geringstes Interesse … vielmehr bemühe ich das Bildbearbeitungsprogramm in solchem Sinne: Daß dieses Bild vielleicht einmal einen Realitätsbezug hatte … zu welcher Welt … zu welcher Zeit … in welcher Funktion auch immer. So wenig ich auf der Suche nach geeigneten Materialien für meine Material/Objekt-Arbeiten bin … so wenig bin ich auf der Suche nach einem geeigneten Motiv … … es ist alles irgendwie von irgendwo her in meine Nähe gekommen … und so gibt es irgendwann etwas zu bereden … zu erfahren. Vielleicht möchte ich in all meinen Arbeiten das Bild von einer objektiven5 Beweis=Last befreien … so daß es sich im Augen=Schein des Betrachters immer wieder neu zu verwandeln vermag . -

Nichts, was einmal begonnen wurde zu verwerfen ... jedoch, falls nötig, immer & immer wieder zu überarbeiten ... analog vielleicht dem Erd= Erinnern ... seinen sich überla-gernden Schichten. Was solchermaßen fast grundsätzlich für mein Arbeiten gilt … in der Fotografie jedoch komme ich nicht umhin, die meisten meiner Bilder zu verwerfen … zu löschen. - Dennoch hat es in mir nicht aufgehört zu fragen, wie es mit meinen Fotografien weitergehen könnte. Und so entstanden Fotos auf Transparentfolie … über eine Zeichnung gelegt … geschichtet.

Hierzu Bild 1 / Bild 2 / Bild 3 / Bild 4 / Bild5 / Bild 6



6)

Hoffen und Wissen (ein seltsames Paar) -

Der Weg




I)

Fotografieren … hoffen und wissen, daß die Kamera etwas sieht, womit sich etwas beginnen läßt ...





II)

Entwickeln … hoffen und wissen, daß dem Bildbearbeitungsprogramm Möglichkeiten innewohnen … mich zu überraschen ...





III)

Drucken … hoffen und wissen, daß durch die Wahl des Bild=Trägers … des Papiers ...sich endlich die Qualität des Fotos offenbart … Qualität nicht allein hinsichtlich einer Ästhetik … vielmehr ob aus meinem Erleben etwas antwortet, das nicht einer Effekthascherei geschuldet ist.




7)

Nachbemerkung:

Einen Schnappschuß machen. Auf der Ebene eines Kinder=Spiels braucht es keine Kamera hierzu … es genügen die bloßen Hände, die so tun, als ob … Das Bild ist kraft seelischen Vermögens eingebildet … und mit einem freudigen > DA ! < auf das Kind wieder übertragen … ihm wieder zurückgegeben –

Mit der Kamera einen Schnappschuß machen … die lautmalerische Verwandtschaft zu > Blatt=Schuß < ist offensichtlich. Wir schießen uns ein Bild … das Rohmaterial … und gestalten hieraus im Ideal=Fall die Toten=Maske eines bestimmten Augen=Blicks … hier vermag der Betrachter in sich durchaus eine Seelen=Verwandtschaft erfahren. Demgegenüber sind wohl die allermeisten Fotos lediglich das Abziehbild einer vermeintlichen Wirklichkeit. Während beim Anblick von Toten= Masken ein Wind=Hauch des Erinnerns Geist, Leib und Seele auf ein Unendliches hin durchweht … sollen Abziehbilder ein Ereignis auf magische Weise wiederbeleben … es werden Gefühle heraufbeschworen … Hier geht es nur vordergründig um Erinnerung. Solche Bilder sind auch Tore hin zu dem, was heutzutage > virtuelle Lebens=Welt < heißt.



8)

Wenn man mich nun fragte, wie sicher ich mir sei … keine Abziehbilder geschaffen zu haben … so kann ich nur antworten ... ich hoffe … aber wissen …? Auch kann ich in dieser Angelegenheit nicht voraussetzen, daß jedermann mit meinen Ausführungen übereinstimmt. Doch geht es mir nicht darum recht zu haben, vielmehr sollte dargelegt werden, welche Widrigkeiten sich auftun, wenn ich über mein Fotografieren Rechenschaft ablegen soll. Schöpfe ich in der Malerei das Bild aus dem Dunkel des Leibes … so in der Fotografie aus dem Dunkel der meinen Leib umhüllenden Welt. Die Welt … das ist der Schatten Gottes … dahinein wir Menschen uns verirrt haben.



Anmerkungen


1

Max Frisch (1911–1991), aus seinem Tagebuch (1946-1949) / > Du sollst dir kein Bildnis machen <



2

Spreche ich vom Leib, dann ist mir dieser Leib beseelt … und durch sein Leib/Seele=Ver- hältnis einzigartig ... Person.

Der moderne Mensch spricht nun lieber von seinem Körper denn von seinem Leib … und so spricht er auch lieber von seinen Gefühlen denn von seiner Seele .. er weiß sich so dem Zeit=Geist … seinen Heils=Botschaften und Werbe=Broschüren … näher.



3

Im Laufe dieses Jahres 2011 las ich in der Tages=Zeitung ein Interview mit einem Museums=Direktor ( Kunst und Medientechnologie ). Darin spricht er vom Menschen als Prothesengott … als handelte es sich nicht um ein freudsches Zitat sondern um eine aus dem Alltag genommene Feststellung. Und irgendwie war auch kein Unbehagen herauszuhören.



4

Eigentlich: Die zur Einweihung der Kirche gelesene Messe. An dieser Stelle sei an das > dominium terrae < der christlichen Theologie erinnert („Und Gott sprach: Lasset uns Menschen machen, ein Bild, das uns gleich sei, die da herrschen … Seid fruchtbar und mehret euch und füllet die Erde und machet sie euch untertan ...“/ Buch Genesis Kapitel eins, Vers 26 und 28) – Schlemihls Forscherdrang ist gewiß romantischer Natur … da er jedoch seine Siebenmeilen=Stiefel auf einer Kirmes erhielt, so ließe sich fragen, ob mit diesen Stiefeln vielleicht auch eine Art christliche Legitimation gemeint ist …die es ihm erlaubt Technik und Naturwissenschaft als eine symbiotische Kraft zu nutzen … wie es uns heutzutage in sehr viel ausgeprägterem Sinne (> Prothesengott <) geradezu als selbstverständlich erscheint.



5

> Objektiv < - das naturwissenschaftlich-technische Auge … Irgendwie kann ich mich des Gedankens nicht erwehren, daß eine objektive Welt= Sicht im Schöpfungs=Plan nicht vorgesehen ist.

Hierzu Bild 7 / Bild 8 / Bild 9

In diesem Zusammenhang noch zwei weitere Gedanken=Spiele:

> Blende < - vielleicht: ausblenden … was mich blenden könnte.

Hierzu Bild 10 / Bild 11 / Bild 12

> Auslöser < - ich werde das Gefühl nicht los, daß ich mehr auslöste, als das, was auf der Fotografie zu sehen ist.

Hierzu Bild 13 / Bild 14 / Bild 15